Hier kommen Profis auf ihre Kosten

Wer wie ich die CeBIT aus den Jahren des Mobilfunkbooms kennt, der erkennt sie seit einigen Jahren nicht wieder. Doch verklärte Blicke auf Zeiten mit mehr als doppelten Besucherzahlen – entsprechend kritisch von der Presse kommentiert – helfen nicht weiter. Die Erinnerung an die Zeit scheinbar unbegrenzter Marketing-Budgets und rauschender Standpartys trübt offensichtlich bei Manchen den Blick auf das Wesentliche. Denn nüchtern betrachtet ist die CeBIT zu ihren Wurzeln zurückgekehrt. Sie entwickelte sich aus der Hannover Messe und wurde in den 80er Jahren als eigenständige Messe mit dem Namen “Centrum für Büro- und Informationstechnologie”, kurz CeBIT, etabliert – eben als Messe für IT Profis. Und genau das ist sie heute wieder.

IT-Profis finden in Hannover ein weltweit in seiner Vielfalt einzigartiges Angebot. Natürlich sind die großen Aussteller interessant, wie IBM, die Deutsche Telekom und SAP. Oder Microsoft – nur wenige Wochen nach der Nachricht, dass man sich im eigenen Land von der CES zurückzieht, ein klares Statement mit einem beeindruckenden CeBIT-Messeauftritt. Gerade auch die Art und Weise der Präsenz dieser Unternehmen zeigt die Bedeutung der Messe.

Die wahre Stärke der CeBIT liegt aber in der Vielzahl mittlerer und kleiner Spezialisten, die hier ausstellen. Sie sind die Perlen der Messe, die man suchen und finden muss. Das erfordert Fleiß, aber es lohnt sich. Auch die zahlreichen Expertenforen zu Spezialthemen wie Logistik oder Security sind für diejenigen, die sich für diese Themen interessieren, ein echter Gewinn. Und: ja, nicht alle Vorträge sind gleich gut besucht, aber wen stört das wirklich, wenn über den Messezeitraum rund 1.500 Vorträge gehalten werden und nebenbei noch ein veritabler Kongress stattfindet?

Die CeBIT vermittelt Kompetenz, und zwar nicht nur in der Breite und an der Oberfläche, sondern oft auch spitz und in der Tiefe. Die Herausforderung für das CeBIT-Team ist es, mit den immer schneller werdenden Veränderungen mitzuhalten. In den letzten Jahren war healthcare, insbesondere mobile, noch ein großes Thema. Dieses Jahr scheint sich die Messepräsenz wohl den aktuell erzielbaren wirtschaftlichen Ergebnissen in diesem Bereich angepasst zu haben… Es gilt, gegenläufige Entwicklungen frühzeitig zu suchen und zu fördern, was in diesem Jahr beispielsweise mit Managed Print Services gut gelungen ist – gegenüber dem letzten Jahr ein deutlicher Sprung nach oben. Auch das CeBIT lab, mit seinem Blick auf Morgen und Übermorgen ist für jeden, der mit offenen Augen über die Messe geht, inspirierend: es liefert den vielbeschworenen Blick über den Tellerrand.

Ein Erfolgsmodell für sich ist der Planet Reseller, im nunmehr zehnten Jahr auf abermals erweiterter Fläche – volle Stände, zufriedene Aussteller und Besucher, was will man mehr? Mit unserer Systemhausgruppe comTeam sind wir seit dem ersten Jahr als Aussteller aktiv – und wir haben es auch dieses Jahr sicher nicht bereut, sondern uns über einen erneut erfolgreichen Messeauftritt gefreut.

CeBIT-Chef Frank Pörschmann und seinem Team kann man nur raten, die Fokussierung auf Profis weiter voranzutreiben und Ballast aus alten Zeiten abzuwerfen. Manchmal ist es eben schwieriger zu sagen, was man nicht mehr macht, als zu sagen, was man noch alles machen könnte. In diesem Sinne kann man aus meiner Sicht auf die Halle 22 einschließlich der Besucher, die sie anzieht, getrost verzichten. Eine überdimensionale Daddelstube passt einfach nicht zu einer ernsthaften B2B-Messe – und nicht nur als Vater von drei Kindern würde ich mich freuen, wenn gewaltverharmlosenden Ballerspielen keine derartige Plattform geboten würde. Es mag sein, dass man hierdurch den einen oder anderen zukünftigen IT-Profi (noch/so) nicht an die Messe heranführen würde. Richtig ist auch, dass die Halle 22 einen Teil der aktuellen Jugendkultur bedient. Dennoch, meinem Wertesystem entspricht das nicht. Werteverfall ist eben nicht nur ein Thema für Sonntagsreden, sondern auch eines für´s Handeln. Die IT hat gerade für junge Menschen mehr und besseres zu bieten, als Ballerspiele – und genau das zeigt die CeBIT.

Also, keiner sollte den alten CeBIT-Zeiten nachtrauern: das Minus an verstopften Zufahrtswegen, überfüllten Gängen, Party und Lärm wird für professionelle Besucher überkompensiert durch ein Plus in der Breite und Tiefe des Angebots – Glückwunsch nach Hannover!

12 Kommentare

  1. Sehr geehrter Herr Dr. Ehmer,

    ein sehr schöner Beitrag über die CeBIT und ihre Entwicklung in den letzten Jahren. Ihr Vorschlag die CeBIT verstärkt auf B2B zu spezialisieren ist durchaus nachvollziehbar. Allerdings finde ich Ihre Aussage, dass „gewaltverharmlosende Ballerspiele“ hier keine Plattform finden sollten, ein wenig provokativ und einseitig. Zum einen reduzieren Sie ein überaus vielseitiges Medium, denn Computer- und Videospiele bieten (ebenso wie z. B. Filme oder Literatur) einen ausgewogenen Genremix für Kinder, Jugendliche und auch Erwachsene. Darüber hinaus sind Ihnen bestimmt die Großleinwände in der Halle ins Auge gefallen. Auf diesen wurden die Finalrunden der Weltmeisterschaften für verschiedene Spiele gezeigt. Sieger von Turnieren aus aller Welt trafen hier aufeinander, um sich mit den besten der Welt zu messen. Ein Großereignis im E-Sportbereich, welches heute Abend sogar auf ZDF Kultur gezeigt wird. Sie müssen wissen, dass hier Profis in Spielen aller Couleur aufeinandertreffen und motorische sowie kognitive Leistungen zeigen, die nur durch langes Training zu erzielen sind. Neben dem Weltmeister in Counter-Strike 1.6, wurden hier auch die Besten in den Strategiespielen League of Legends und StarCaft II ausgespielt. E-Sport hat sich weltweit als eigenständige Sportart etabliert und sollte meiner Meinung nach dementsprechend behandelt werden. Wenn die Klitschko-Brüder boxen, sehen die Leute ja die Spitzensportler, die sie sind, und sprechen nicht von einer verrohenden Wirkung auf die Zuschauer.

    1. Guten Tag Herr Lorber,

      Sie haben Recht, mir geht es um eine sinnvolle Fokussierung der CeBIT. Und zu einer ernsthaften B2B-IT-Messe passt aus meiner Sicht eine überdimensionale Spielhalle nicht – egal ob dort Simultanschach, Hallenhalma oder Computerspiele gespielt werden. Entsprechendes gilt übrigens auch für den von Ihnen angesprochenen Klitschko-Boxkampf, der sicher noch mehr Besucher anziehen würde. Insoweit könnten wir vielleicht sogar Einvernehmen erzielen; alles Weitere ist zugegeben einseitig, aber das ist manchmal so, vor allem wenn es um persönliche Wertvorstellungen geht.

      Mich persönlich stößt es eben eher ab, wenn in einer Messehalle Tarnnetze über Panzerbildern hängen und der Weltmeister im “Eleminieren” ausgespielt wird. Wie gesagt, mir ist bewusst, dass dies Teil der Jugendkultur ist und ich stelle auch nicht in Abrede, dass Computerspieler intensiven Trainings, Fitness sowie besonderer Fertigkeiten bedürfen. Mir gefällt es einfach generell besser, wenn Energie in etwas investiert wird, das nach meinem persönlichen Wertesystem höher zu bewerten ist, weil es nicht auf Zerstörung ausgerichtet ist.

  2. Sehr geehrter Herr Dr. Ehmer,

    Sie sprechen Ihre persönlichen Wertvorstellungen an. Ich kenne diese natürlich nicht. Gestatten Sie mir aber, allgemein auf dieses wichtige Thema einzugehen. Um die Frage nach der Ethik angemessen zu beantworten, muss man sich zunächst einmal Klarheit darüber verschaffen, was eigentlich bewertet werden soll. Dies ist nicht immer das, was sozusagen an der Oberfläche zu sehen ist. Vielmehr muss beispielsweise zwischen der Darstellung an sich und einem möglicherweise damit verbundenen Zweck unterschieden werden. Politische Kunst, Anti-Kriegsfilme, pädagogische Medien, aber auch Propaganda arbeiten ja nicht selten mit drastischen Darstellungsmitteln, die aber einem so genannten höheren Zweck dienen oder dienen sollen. Dieser Zweck ist bei einer ethischen Bewertung der Darstellung sicherlich zu berücksichtigen. So zeichnen anerkannte Werke der Anti-Kriegs-Literatur, deren Zweck offen zu Tage liegt und der im Allgemeinen für gut gehalten wird, oft ein erschreckend realistisches Bild von Gewalt. Man denke nur an den Roman „Im Westen nichts Neues“ von Erich Maria Remarque. Hier ist die Lage vergleichsweise übersichtlich. Die Darstellung von Gewalt ist allgemein akzeptiert, weil sie einem höheren, ‚guten’ Zweck dient. Nicht selten ist aber gar nicht klar, welchen Zweck eine Darstellung verfolgt. Vor allem künstlerische Werke sind ja oft ‚zweckfrei’, jedenfalls wenn man der Traditionslinie der Ästhetik von Kant über Hegel bis beispielsweise Adorno folgt. Dennoch können sie drastisch in der Darstellung sein. (Man denke nur an entsprechende Stellen in Homers Odyssee oder den Beginn des Films „Der andalusische Hund“ von Luis Buñuel und Salvador Dalí). Eine Koppelung der „Erlaubnis“ von Gewaltdarstellungen an einem bestimmten ästhetischen Rang der Darstellung führt nicht weiter. Denn wie sollten denn die Kriterien für eine verbindliche Rangfolge des künstlerischen Wertes aussehen? Und wer sollte diese Rangfolge überhaupt erstellen? Philosophen? Kunstkritiker? Pädagogen? Kriminologen? Medienwissenschaftler? Man muss – auch wenn das für manche Kulturpessimisten schmerzvoll sein mag – an alle kulturellen Produkte die gleichen ethischen Maßstäbe ansetzen. Nun will sicherlich niemand die Freiheit der Kunst, die ja auch vom Grundgesetz geschützt ist, um der Ethik willen über die Maßen einschränken. Also sind auch bei den Erzeugnissen der Unterhaltungsindustrie die gleichen weiten Grenzen zu fassen. Denn sicherlich käme niemand auf die Idee, dass alle kulturellen Erzeugnisse – einschließlich der künstlerischen Produktion – zunächst einer Art Ethikkommission vorzulegen seien. Die weitgehende Immunisierung der Kunst gegenüber ethischen Fragestellungen bedeutet ja auch, ihr entsprechende Freiheit zu lassen, die Menschen da anzusprechen und zu irritieren, wo sie ethisch unsicher sind, kritische Fragestellungen und Interpretationen zu formulieren. Das sollte nicht voreilig in Frage gestellt werden.
    Wie bei allen Medien werden auch bei Computer- und Videospielen Stoffe der Vergangenheit, der Gegenwart oder der möglichen Zukunft aufgegriffen und verarbeitet. Die Gegenstände der Darstellung sind dabei unterschiedlichster Art – Liebe, Natur, Freundschaft, Erotik, Technik, Tod, Fragen der Moral, aber natürlich auch Aggression, Gewalt und Krieg. Es gibt kein Thema, das von einer medialen Verarbeitung prinzipiell ausgeschlossen werden könnte. Auch die Darstellung kriegerischer Handlungen und Aggression gegenüber Menschen hat eine lange Tradition in allen Mediengattungen. Prominente, darunter auch sehr drastische, Beispiele finden sich in allen Epochen.

    Mit freundlichen Grüßen
    Martin Lorber
    PR Director und Jugendschutzbeauftragter Electronic Arts

    1. Guten Tag Herr Lorber,

      in vielen Punkten stimme ich Ihren Ausführungen zu. Gleichwohl ist es so, dass ich die verharmlosende Darstellung von Gewalt ebenso wie das plakative Zur-Schau-Stellen von Gewalt generell falsch finde. Und zwar unabhängig davon, ob dies in einem Film, Gemälde oder Computerspiel erfolgt. Wird Gewaltdarstellung eingesetzt, um eine sachliche Aussage zu stützen – beispielsweise als Aufklärung darüber, wie grausam Krieg ist – so kann ich zumindest die Beweggründe nachvollziehen, ohne dass es mir hierdurch gefallen würde. Mein persönliches Verständnis sinkt jedoch um so mehr, je mehr Gewalt um ihrer selbst willen ausgeübt und/oder zur Schau gestellt wird.

      Beim Thema “Gewalt” hat sicher jeder seine persönliche „Schmerzgrenze“, die durch viele Faktoren bestimmt wird und für deren Überschreiten insbesondere der Grad der Intensität bedeutend ist. Zumindest für mich macht es durchaus auch einen Unterschied, ob jemand konsumiert oder selber aktiv tätig wird.

      Nach meinem Staatsverständnis ist ein gedeiliches Miteinander nur möglich, wenn das Gewaltmonopol beim Staat liegt und dieser es kontrolliert durch ein funktionierendes System der Gewaltenteilung ausübt. Hier bleibt kein Raum für eigenmächtige Gewaltanwendung und Zufügung von Leid, um persönliche Interessen durchzusetzen. Dies gilt für die reale Welt ebenso wie für die Kunst oder für Scheinwelten.

      Lassen Sie mich einfach mit Brecht sagen “Kultur ist, wie der Mensch lebt und arbeitet” – in diesem Sinne kommt mir persönlich eine Kultur mit einer angemessenen Haltung zur Gewalt näher als die unreflektierte reale oder virtuelle Anwendung oder Zur-Schau-Stellung von Gewalt.

      Herzliche Grüße

      Jörg Ehmer

  3. Lieber Herr Dr. Ehmer,

    aus Technik wurde ernst, aus Spaß ein Meinungsaustausch zu Kultur und Werten.

    Doch wieviel Krieg, Gewalt und Schmuddel darf (grundsätzlich) sein..?

    Ausgeschlossen die, welche nicht mehr zwischen Fiktion und Realität unterscheiden können, jedem so viel er braucht solange nicht andere den Preis dafür bezahlen müssen.

    Der Ruf der “Dunklen Seite der Macht” führt gegenwärtig zwei extreme Lager (Flüchtlinge und Abenteurer) zusammen. Der Rest versammelt sich unter dem Deckmantel von Recht und Tugend und da unsere Luxusprobleme bereits chronisch sind, ziehen wir mit unseren Ideologien bewaffnet in die Diskussion.

    Unterschiedlich schnell sinkende Schamgrenzen haben die Diskussionsbereitschaft zu gewissen Themen deutlich vereinfacht und gleichermaßen verkompliziert. Eines aber nimmt in beiden Lagern überproportional stark zu: Der Reiz und die Leidenschaft.

    Durch meine hedonistisch-konservative Brille betrachtet sehe ich eine interessante, bunte, extreme Welt mit unendlichen Möglichkeiten, in der man real mitspielen oder sich passiv um die Chronik kümmern kann.

    Mit besten Grüßen

    Berthold Christmann

    1. Lieber Herr Christmann,

      Sie haben Recht, ein wirklich guter Kommentar. Dem Rheinländer in mir fällt dazu die alte Erkenntnis ein “Jede Jeck is anders”.

      Beste Grüße, Ihr Jörg Ehmer

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