Smartwatch oder Waschmaschine?

Die Welt der Unterhaltungselektronik, Telekommunikation und IT hat sich in den letzten Jahren rasend schnell (und für viele dramatisch) verändert. Zahlreiche einstige Stars sind bedeutungslos geworden oder gar vom Markt verschwunden. Neue Platzhirsche haben sich nach vorne gekämpft. Pünktlich zum IFA-Start gibt es nun zahllose Presseberichte, in denen angekündigt wird, dass Samsung zur IFA eine „Galaxy Gear“ genannte Smartwatch präsentieren wird. Dies ist bemerkenswert: Eine Uhr erhält mindestens die gleiche Aufmerksamkeit wie die Flut der UHD-TVs als Hoffnungsträger im Bereich Unterhaltungselektronik. Demgegenüber wirkt der Sensationsfaktor der Uhr vergleichsweise bescheiden. Die Ursache der intensiven Berichterstattung ist daher eine andere. Das Besondere an der Galaxy Gear, so die meisten Stimmen, sei, dass Apple am gleichen Produkt arbeite, aber Samsung als erster das Produkt zeige.

Genauer betrachtet ist das Thema Smartwach nicht neu. Sony beispielsweise hat schon länger eine Smartwatch im Programm, eine neue Version, die dieser Tage erscheint, wurde angekündigt. Durchdrungen ist der Markt jedoch nicht – ebensowenig, wie die Produktbotschaft beim Kunden angekommen ist. Wer mit offenen Augen über die viel geschmähte CeBIT gegangen ist, konnte zahlreiche Anbieter von Smartwatches sehen und den Trend erahnen.

Egal ob Samsungs Uhr besser und leistungsfähiger ist, wenn sie denn in den Verkaufsregalen liegt: die technische Sensation wird es nicht sein. Vielmehr ist es ein Piekser in Richtung Apple, den Samsung medial geschickt nutzt, um als Innovationsführer die Lufthoheit in den Medien zu erhalten. Und da ist es dann in der öffentlichen Wahrnehmung von Bedeutung, dass die Smartwatch eine neue Produktkategorie ist und nicht die Feature-Verbesserung einer existierenden Gattung. Genau dies war jedoch die Domäne von Apple, die mit dem iPad die Kategorie der Tablets marktfähig machten, mit dem iPhone die Produktkategorie Smartphones einführten und mit dem iPod dem MP3 Player zum Durchbruch verhalfen. Wenn die Smartwatch eine wirklich ein wichtiges Produktgruppe wird, dann war zumindest Apple nicht der Kategorie-Macher – ebenso wenig wie bereits beim Phablet: Samsung Galaxy Note hatte hier die Nasse vorn vor dem iPad mini. Heute weiß noch niemand, welche Bedeutung Smartwatches am Markt wirklich haben werden. Aber eines ist klar: für das Image von Samsung ist die Erstankündigung ein kluger Schritt, die unmittelbare Marktauswirkung wird in den kommenden Monaten eher gering sein.

Die ökonomisch viel bedeutendere Entwicklung findet ohne vergleichbar breites Medienecho in einer anderen Warengruppe statt. Bereits auf der letzten IFA hatte Samsung mit einer kompletten Halle für weiße Ware erkennen lassen, dass man sich diesem Feld nun ernsthaft widmen wird. In den vergangenen Monaten wurden zahlreiche weitere Maßnahmen ergriffen, die zeigen, dass man es ernst meint. Strukturell, organisatorisch und auch auf der Produktseite. Da paßt es dann auch gut ins Bild, wie Stephan Finsterbusch und Carsten Germis in der FAZ  anschaulich schildern,  dass der Mann zum Chef der Medizintechnik und Haushaltsgeräte gemacht wurde, unter dessen Verantwortung bereits der Siegeszug im TV-Bereich erfolgte. Plan und Anspruch sind klar: Marktführerschaft, möglichst bis 2015 (!).

Samsung ist nicht alleine. Alle drängen in die weiße Ware. Die Konkurrenz kommt aus aller Welt, egal ob aus China, Korea, Japan, aus der Türkei oder woher auch immer: Elektrogroßgeräte erfreuen sich allgemeiner Beliebtheit bei den Herstellern. Auch auf dieser IFA wird es kaum ein Messegespräch geben, in dem die Industrie nicht von ihren Wachstumsplänen in diesem Bereich berichtet und um Unterstützung des Handels wirbt. Der Grund ist einfach: es sind ordentliche – für IT- und CE-Verhältnisse geradezu paradiesische – Margen zu erwirtschaften. Noch. Diese Warengruppe, und allen voran die Elektrogroßgeräte, waren in den letzten Jahren durch deutlich weniger Hektik und Geschwindigkeit als Unterhaltungselektronik und Telekommunikation gekennzeichnet. Dies gilt nicht nur aber gerade auch hinsichtlich der  Innovationszyklen. Die wesentlichen Hersteller und Marken sind auf dem deutschen Markt lange Jahre recht konstant gewesen. Positiv formuliert: Hersteller und Handel haben überwiegend ökonomisch intelligent agiert und fast alle waren mehr oder weniger zufrieden. Außerhalb Deutschlands sieht dies schon bei unseren europäischen Nachbarn nicht so aus, von Asien und Amerika ganz zu schweigen. Hier hat in den vergangenen Jahren bereits eine sehr deutliche Veränderung stattgefunden.

Wer vor diesem Hintergrund hofft, dass die Situation in Deutschland unverändert bleibt, der wird enttäuscht werden. Der TV-Bereich hat gerade in den letzten Jahren gezeigt, wie die Entwicklung ist, wenn der Wettbewerb an Schärfe zunimmt. Wer es noch deutlich sehen möchte, der sollte sich die Entwicklung in der IT vor Augen führen. Natürlich kann man das bejammern, aber die Richtung in der weißen Ware ist vorgezeichnet. Also, Industrie und Handel kann man nur empfehlen, einerseits mit Bedacht zu handeln, andererseits sich aber allerspätestens jetzt auf das wohl leider Unvermeidbare vorzubereiten – und da ist noch einiges zu erledigen.

 

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