ortung in Schwabach ist ein ganz besonderes Kunstfestival – und diesem Anspruch wird auch die diesjährige vierzehnte Veranstaltung der Biennale, ortung 14, gerecht. Vorab soviel: Gerne empfehle ich den Besuch des bis zum 24. August laufenden Festivals, insbesondere allen, die offen sind für moderne und zeitgenössische Kunst.
Was macht auch die aktuelle Ausgabe ortung 14 so besonders? Hier gibt der Name einen starken Hinweis: Die Kunstwerke sind im städtischen Raum verortet, und oft an Orten, die man sonst nicht besuchen kann. Dies eröffnet den Künstlerinnen und Künstlern eine neue Dimension des kreativen Prozesses: Wie muss ich das Werk erschaffen, damit es besonders gut zu diesem Raum passt – oder auch einen besonders starken Kontrast bietet? Viele der ortung 14 Räume und Orte sind ungewöhnlich: von verstaubten privaten Gewölbekellern über eine Schulsporthalle bis hin zu alten gewerblichen Räumen, wie einer ehemaligen Mälzerei und einem Sudhaus.
In Summe zeigt ortung 14 neben den 31 am Wettbewerb teilnehmenden Künstlerinnen und Künstlern aus vielen Ländern auch Werke von neun Künstlerinnen und Künstlern, die als Gäste teilnehmen, sowie zwölf Exponaten von ortung 1 bis 13. Eine gute Mischung aus Bildern, Skulpturen, Video- und Audioinstallationen sowie auch Aktionskunst und anderes mehr.
Gerne teile ich hier einige von mir erstellte Fotos und Collagen von einer kleinen Auswahl der Kunstwerke. Selbstredend spiegeln sie die jeweiligen Exponate nur unzulänglich wider, ebenso wie die jeweils nachfolgende kurze Anmerkung. Sie sind vielmehr als Appetithappen gedacht, sich mit den Künstlerinnen und Künstlern zu beschäftigen, vor allem aber, vielleicht das kommende Wochenende für einen Besuch in Schwabach zu nutzen (eine auch sonst durchaus erlebenswerte Stadt, südlich an Nürnberg angrenzend).
Unvergänglich (Lia Melissa Wehrs)

Nur ein Wort füllt die komplett abgedunkelte Turnhalle des Alten Deutschen Gymnasiums – raumgreifend und gelb oder gar golden schimmernd. Unvergänglich. Schwabach ist eine traditionelle Goldschlägerstadt, mit dem Blattvergolden als historischem Handwerk und anerkanntem immateriellen Kulturerbe. ortung ist daher auch traditionell eine Kunstbiennale im Zeichen des Goldes, was viele Exponate sehr gut aufgreifen.
Die Künstlerin Lia Melissa Wehrs verbindet mit ihrem Werk und dem Wort Unvergänglich “… Ein Element, das immer da ist, immer präsent, dessen Wert nie sinkt, dessen Wertschätzung quasi unvergänglich ist.” Und in diesem Sinne sage ich: Kunst ist unvergänglich.
Zwölf – du bist wertvoll (Bruno Maria Bradt)



Das Werk ist ein Paradebeispiel für eine ausgezeichnete Verortung im Raum – hier im Chorraum der Stadtkirche. Die zwölf Personen erinnern gerade an diesem Ort an die zwölf Apostel des Abendmahls, die auch am angrenzenden Altar erkennbar sind. Bradts “Zwölf” sind Menschen, zu denen er über die Heilsarmee Kontakt gefunden hat und deren persönliche Biografie beeindruckend und bewegend ist. Verstärkt durch den Heiligenschein gibt er ihnen die Würde, die ihnen die Gesellschaft oft raubt und unterstreicht dies durch den “Untertitel” des Werkes “Du bist wertvoll“. Der Künstler ist persönlich oft anwesend, der Dialog mit ihm sehr bereichernd.
Es handelt sich nicht um ein Kunstwerk für den flüchtigen Blick. Es lädt ein, sich damit auseinanderzusetzen und in die Details zu vertiefen, die individuell sorgsam gewählten Texte zu hinterfragen und in die Schicksale einzutauchen. Zudem ist das Werk auch rein künstlerisch-handwerklich beeindruckend gut gelungen – alle Zeichnungen mit einem Bleistifttyp erstellt, fein nuanciert, plastisch und lebendig.
Für mich persönlich ein klares Highlight des Kunstfestivals ortung 14.
Liquid Echoes (Clara Oppel)


Bilder alleine werden diesem Kunstwerk der österreichischen Künstlerin Clara Oppel kaum gerecht. Liquid Echos lebt als audiovisuelle Installation stark von der Kombination des optischen Eindrucks mit dem akustischen. Die fast 300 Lautsprecher im Hauptraum der ehemaligen Mälzerei dominieren den Raum nicht als schwerfällige Installation, sie schweben optisch im Raum – und der Klang verändert sich mit dem Standort im Raum. Die Geräusche wurden in Schwabach und im Umland aufgenommen, das akustische Wasser rauscht, fließt und rinnt durch den Raum, nicht aufdringlich, aber fesselnd. Ein Kunstwerk, das man erleben muss, um es zu erfassen.
Is there gold on the moon? (Gabrielle Chardigny)

Mit “Is there gold on the moon?” hat die französische Künstlerin Gabrielle Chardigny den mit 8.000 Euro dotierten Kunstpreis der Stadt Schwabach gewonnen. Sie greift beeindruckend den zur Verfügung gestellten Raum der städtischen Galerie auf, mit dem das Kunstwerk eine besondere Verbindung schafft. Aus der lebensfeindlich kargen Sandlandschaft ragen Kapseln, in denen gleich einer Hermetosphäre unter einer Folie Pflanzen vom kondensierenden Wasser benetzt werden.
Flüchtig (Anke Oltscher und Stephanie Löw)



“Flüchtig” ist an mehreren Orten der Stadt präsent. Das Werk begleitet auf dem Weg zu den anderen Exponaten, ein immer wieder präsenter Teil von ortung 14. Die beiden Künstlerinnen lassen Wildtiere an überraschenden Orten in Schwabach auftauchen, nur eine Bärenfamilie in einem Keller befindet sich in einem Gebäude.
Weltweit werden Tiere durch menschlichen Einfluss aus ihren natürlichen Lebensräumen vertrieben. Hier erhalten sie Lebensraum in einer Stadt – an Stellen, an denen man sie kaum erwartet. Nicht nur für Kinder ist es spannend, die begleitenden goldenen Spuren nahe der Tiere zu entdecken, das Tier zu finden und zu sehen, wie es sich an diesem Ort zeigt. Flüchtig.
Die Gute Hirtin (Rotem Ritov)

Verortet in einer ehemaligen Synagoge zeigt Rotem Ritov ihr Werk “Die Gute Hirtin”. Als Künstlerin jüdischen Erbes greift sie damit an diesem Ort bewusst und integrativ ein Motiv auf, das in den meisten Religionen tief verankert ist – das des guten Hirten (und hier in der weiblichen Form der guten Hirtin, die Künstlerin porträtierend).
Auch dieses Werk nutzt den Ort außerordentlich gut. An den Säulen und auf der Empore sind weitere Bilder, die den Gesamteindruck herstellen. Die KI-generierten Klänge und Gesänge laden zur Meditation ein, die auf dem Boden verteilten Kissen bieten einen angenehmen Raum hierfür.
Hört man auf den von der Künstlerin verfassten Text des Gesangs, so wird die weltliche und emanzipatorische Seite des Werkes greifbar, Ihr Verständnis, was die Aufgabe einer weiblichen Hirtin ist, was sie zu einer guten Hirtin macht und warum es ihrer bedarf:
„… Wir werden nicht länger umherirren, nicht als Opfer, nicht als Darbringung oder Sühne, nicht als Sündenbock, nicht als schwarze Schafe. … Zwischen den Sonnen bin ich erwacht, um meine Herde durch die Felder der Disteln zu führen.“
Auch hier gilt: Wer das Werk wirklich erfassen möchte, muss es vor Ort erleben.
Römische Trilogie (Andrea Legde)


Mit “Imperatori quod imperatoris”, “Unusquisque pro se” und “Et aurea umbra” präsentiert Andrea Legde in der Stadtkirche drei Exponate, die alle das “Im Zeichen des Goldes” sichtbar aufgreifen. Die Künstlerin schafft viel Raum zum kreativen Nachdenken und zur kritischen Reflektion. Der goldene Schatten des Esels, in dem er sich wiederum spiegelt, ist nur eines der offensichtlichen Gedankenspiele.
Ripening (Vita Ivičić und Mateja Kavčić)


Flachsfäden, die im Licht der einfallenden Sonne golden glänzen, dieses Werk in einem Nebenraum der alten Mälzerei fesselt im Anblick und verschmilzt mit dem Raum. Das Spiel von Licht und Schatten, die unterschiedlichen Farbnuancen und die Struktur der rohen Fäden schaffen einen erstaunlichen Gesamteindruck. Das Werk “lebt”, wenn man sich im Raum bewegt.
Für Ripening verwendeten die beiden Künstlerinnen Flachsfäden, bei denen sie mit Unterstützung von über 80 Freiwilligen von der Pflanzung bis zur Verarbeitung traditionell vorgegangen sind.
ortung 14 – weitere Informationen
Wenn ich Ihnen Appetit auf einen ortung 14 Besuch gemacht habe, dann finden Sie auf der Webseite der Stadt Schwabach weitere Informationen. Die Webseiten der vorgestellten Künstlerinnen und Künstler sind jeweils bei der Namensnennung in der Überschrift verlinkt. Weitere Informationen zum jeweiligen Werk sind in der Ortsbezeichnung der kurzen Werkbeschreibung verlinkt.
Zum Abschluss noch ein anerkennender Hinweis: Es beeindruckt mich, was Sandra Hoffmann-Rivero (Leiterin Kulturamt Schwabach) gemeinsam mit ihrem Team und vielen Unterstützenden und Ehrenamtlichen alle zwei Jahre leistet. Für eine Stadt mit nur rund 40.000 Einwohnerinnen und Einwohnern ist eine so aufwändige Kunstbiennale auf diesem Niveau wirklich außergewöhnlich, Chapeau.