Vor dem Hintergrund der Nazi-Gräueltaten haben die Väter unseres Grundgesetzes bekanntlich in Artikel 1 des Grundgesetzes als Fundament unserer Gesellschaft besonders hervorgehoben, dass die Würde des Menschen unantastbar ist. Gleich danach, in Artikel 2, wurde der besonders hohe Stellenwert der Freiheit des Einzelnen für unsere gemeinsame Werteordnung festgeschrieben: „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit“. Natürlich war nicht an eine schranken- und bedingungslose Freiheit gedacht. Vielmehr wurde und wird jedem das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit nur gewährt, „soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt“.
Keine Sorge, ich möchte hier keine formaljuristische Diskussion vom Zaun brechen. Dennoch, wenn die Freiheit des Einzelnen einen so hohen Stellenwert hat, dann ist es unverständlich und unakzeptabel, dass sie immer mehr zu einem Rest-Recht zurechtgestutzt wird.
Nehmen wir zum Beispiel das neue Nichtraucherschutzgesetz in Nordrhein-Westfalen. Das Gesetz kann man in einem Satz zusammenfassen: Rauchen in anderen geschlossenen Räumen als der eigenen Wohnung ist weitgehend verboten; insbesondere in Gaststätten besteht ein striktes Rauchverbot. Die einfache Begründung: Passivrauchen ist ungesund. Mit anderen Worten: das Recht eines Nichtrauchers auf körperliche Unversehrtheit sticht das Recht des Rauchers auf freie Entfaltung aus.
So plausibel dies auf den ersten Blick erscheint, auf den zweiten Blick ist es das nicht. Was spricht dagegen, dass eine Gastwirtschaft einen Raucherraum einrichtet, in dem erwachsene Menschen, die rauchen möchten, auch rauchen dürfen? Das Gesetz verbietet nicht nur das Rauchen in der Eckkneipe, sondern, um es auf die Spitze zu treiben, auch in der Zigarrenlounge, in die Menschen nur gehen, um eine Zigarre zu rauchen und ein Glas Wein zu trinken. Entweder rauchen oder etwas trinken oder essen – beides in einer Lounge, das ist nicht mehr erlaubt. Da stellt sich zwanglos die Frage, wer in einer Zigarrenlounge ein schutzbedürftiger Nichtraucher ist? Die Bedienung oder der nichtrauchende Besucher?
Kann es richtig sein, dass lauter rauchende Erwachsene nicht in einer eigens dafür vorgesehenen Gastwirtschaft rauchen dürfen, weil jemand, der nicht rauchen möchte, in voller Kenntnis der Umstände die Gastwirtschaft bestimmungswidrig besuchen oder als Arbeitsplatz wählen möchte? Nach meiner Vorstellung nicht. Das seit 1. Mai geltende Nichtraucherschutzgesetz NRW zeigt eindrucksvoll, warum eine der gängigen Umschreibungen für das, was es ausmacht, Deutsch zu sein, lautet „Deutsch sein heißt, eine Sache um ihrer selbst willen zu übertreiben“. Hier wird unter dem Deckmantel eines guten Zwecks das Kind mit dem Bade ausgeschüttet und der einzelne ohne Not bevormundet. Toleranz? Fehlanzeige! Stattdessen wird prinzipienreitend mit dem erhobenen Besserwisser-Zeigefinger für Spaßbefreiung gesorgt. Da zieht nicht einmal das sonst oft so beliebte Multi-Kulti-Argument: Shisha-Bars werden gleich mit dichtgemacht.
Das ist wie das immer mehr um sich greifende Motorrad-Fahrverbot auf kurvigen Landstraßen, auf denen es schwere Unfälle gegeben hat. Bloß weil einige Wenige ihr Hirn ausschalten und sich vom Motorrad-Raser zum Organspender katapultieren, wird zahllosen vernünftigen Motorradfahrern der Genuss genommen. Und bloß weil einige Mountainbiker sich danebenbenehmen wurde in Hessen ernsthaft darüber diskutiert, Fahrradfahren im Wald nur auf Wegen zu erlauben, die ganzjährig mit einem nicht geländegängigen PKW befahren werden können.
Wer glaubt, der Staat könne besser für den Einzelnen denken und sorgen, als dieser es selber kann, wer meint, man müsse alles regulieren, der hat nicht verstanden, warum die Väter unseres Grundgesetzes der Freiheit des Einzelnen im Denken und Handeln einen so hohen Stellenwert eingeräumt haben. Um es mit Jonathan Swift zu sagen, „was nützt die Freiheit des Denkens, wenn sie nicht zur Freiheit des Handelns führt“ – oder, mit Carl Friedrich von Weizsäcker: Freiheit ist ein Gut, das durch Gebrauch wächst und durch Nichtgebrauch dahinschwindet. Ja, Rauchen und Weintrinken in einer Zigarrenlounge ist ebenso wie Radfahren im Wald oder Motorradfahren auf einer schönen Landstraße scheinbar nur eine Kleinigkeit, aber es sind eben Mosaiksteinchen in einem sich immer enger ziehenden Korsett freiheitsbeschränkender Gesetze und Verordnungen.
Dies passt nahtlos zur undurchdachten Regelungswut des Staates, die vor allem auch mittelständische Unternehmer belastet – es sei nur an die geplante Verpflichtung von Einzelhändlern zur Übernahme von Müllentsorgungsaufgaben und an die Konsequenzen der fehlgeleiteter Subventionssysteme erinnert. Egal ob die Freiheit des Einzelnen als Privatperson oder als Unternehmer eingeschränkt wird, es bedarf stets eines guten Grundes und der Eingriff sollte auf das erforderliche Maß beschränkt bleiben. Andernfalls nehmen wir unserer Gesellschaft das, was sie stark gemacht hat – stärker als komplett durchregulierte und totalitäre Systeme je werden können.
Also, es lohnt sich, das Wort dafür zu erheben: jeder hat das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit!
Wahre Worte. Sehr gut geschrieben. Der erhobene Zeigefinger ist in Deutschland und auch im Europäischen-Ausland zu einer Unart geworden. Es wir gedroht und reglementiert ohne Rücksicht auf Verluste. Der Ausspruch “Ein Freier Mensch in einem Freien Land” zählt nicht mehr. Die Reglementier-Wut einiger sich wichtig tuender Bürger ist maßlos. Jedes Jahr neue Androhung von Strafen und Erhöhung von Bußgeldern. Es ist in unserem Land Unerträglich geworden. Wie weit soll das noch gehen? Bis wir alle nur noch mit 30 Km/H durch die Städte fahren. Aber dann wird sich beschwert, dass die Wirtschaft nicht richtig vorankommt. Kann man nicht mit Maß und Übersicht an die Dinge herangehen? Ich bin gegen das Nichtraucher Gesetz!
Übrigens ich bin Nichtraucher.
André
Es ist zur Zeit überaus modern sich mit besonders strengen Nichtraucherschutzgesetzen zu übertrumpfen. Innerhalb der Bundesländer oder auf innerhalb der EU .Damit macht die Politik große Schritte alles gesetzlich und bevormundend zu regulieren um Stimmen zu gewinnen. Der Zweck wird nicht hinterfragt, denn mir fehlt es an Einsicht, warum in einem separaten Raum oder in einer einzig dafür ausgeschriebenen Lokalität Nicht-Raucher geschützt werden müssen. Es wird auf die Beschränkung nicht in geschlossenen Räumen rauchen zu dürfen bleiben, Parks, Strände, Haltestellen und demnächst auch Biergärten werden folgen. Es ist mit Sicherheit so, dass das Rauchen bald komplett in der Öffentlichkeit verboten wird .Das ist dann die Toleranz unser Demokratie auf die wir immer stolz waren. Vielleicht kommen demnächst auch andere Minderheiten zur dem Genuss ihre Vorlieben einstellen zu müssen. Ich freue mich jetzt schon drauf, was kommt.
Rauchen ist schädlich, kostet die Allgemeinheit nur Geld und ist out. Alkohol, Fett, Zucker und Bewegungsmangel auch. Das nur als kleiner Tipp für unsere Politiker weitere Möglichkeiten zur überdenken. Denn wir, die Bürger, nehmen ja Alles hin was zum Wohle der Wähler beschlossen wird. Ich hoffe, dass in meiner Eckkneipe, so wie ich, die rauchenden Gäste (80%)wegbleiben und die fehlenden Steuereinnahmen aus dem Verkauf große Schule machen. Aber auch dafür wird es demnächst sicherlich eine gute Erklärung geben, die nicht auf das neue Gesetz zurück zuführen ist