Clubhouse ist gerade das Top-Thema der Kommunikationslandschaft. Und nach meiner ersten Clubhouse Woche steht für mich fest: Eine extrem spannende Entwicklung, und das in mehrfacher Hinsicht. In atemberaubender Geschwindigkeit erobert dieses Social Media Netzwerk die Kommunikationswelt in Deutschland. Clubhouse ist in aller Munde. Und das obwohl die Teilnahme aktuell nur auf Einladung und nur mit einem iPhone möglich ist – oder vielleicht nicht „obwohl“, sondern „gerade weil“?
Tatsache ist, dass wir, typisch für Deutschland, schnell notorische Nörgler auf den Plan rufen. So werden beispielsweise Politiker kritisiert, weil sie auf Clubhouse auch außerhalb der tradierten TV-Formate über scheinbar Belangloses reden und scheinbar ihre Zeit vergeuden. Dies wurde beispielsweise den Ministerpräsidenten Ramelow und Schwesig vorgeworfen: Ob sie nichts Besseres zu tun hätten, als sich um Mitternacht auf einem elitären Netzwerk herumzutreiben.
Zugegeben: Es mag nicht jeden interessieren, welchen Belag Frau Schwesig auf ihrer Pizza am Liebsten mag oder dass Herr Ramelow die Münch Mammut ein sensationelles Motorrad fand (zumindest damit hat er übrigens zweifelsohne Recht). Aber haben die bekannten Talkshows im Dazwischenschrei-Format ein Monopol auf die Verbreitung von echten oder scheinbaren Belanglosigkeiten? Und ist es weniger elitär, wenn sich diese Politiker in einem Interview einer Zeitung äußern, die nur ein kleiner Bruchteil aller Deutschen kauft und liest?
Was sollte dagegen sprechen, dass Politiker ein neues Social Media Format nutzen, um dem Interesse der Bürger an ihnen als Person gerecht zu werden, um in zwangloser Atmosphäre ohne große Barriere als Mensch erlebbar zu sein? Die vielfach beklagte Entfremdung von Wählern und Politikern, die kritisierte Distanz wird hier durchbrochen. Warum sollte das nicht gut sein?
Zudem ist Clubhouse nicht darauf beschränkt. Im gleichen Format konnte ich mit Frau Schwesig sehr spannend über die Föderalismus-Herausforderungen in Corona-Zeiten für bundesweit agierende Handelsunternehmen diskutieren. Und es war beispielsweise auch sehr interessant, wie Kai Diekmann aus dem Zuschauerraum auf die Bühne eingeladen wurde und mit Kevin Kühnert und Bodo Ramelow darüber diskutierte, wie Journalisten mit solchen neuen Kommunikationsformaten umgehen sollten. Ganz spontan, ohne Drehbuch und vorformulierte Phrasen. Authentisch, anfassbar und inhaltlich spannend. Genau das, was man an anderer Stelle immer fordert.
Während manche Journalisten die Entwicklung treiben, erinnert die spontan trotzige Abwehrreaktion anderer Vertreter tradierter Medien fatal an das, was oft passiert, wenn neue Player an den Markt gehen. Viele Händler waren sich sicher, dass Schuhe oder Fernseher nie online gekauft werden, weil man sie im Laden anprobieren oder mit allen Sinnen erleben möchte. Online wurde als unfairer Wettbewerb gegeißelt, gegen den jemand etwas unternehmen muss. Es hat aber niemand etwas unternommen:
Mittlerweile werden bekanntlich seit einiger Zeit die Mehrzahl der Schuhe und Fernseher online gekauft und viele Händler haben ihre Chance verpasst, die seinerzeit neuen Möglichkeiten für sich zu nutzen. Viele Zeitschriften und Zeitungen sind bereits vom Markt verschwunden, weil sie die Möglichkeiten der Digitalisierung und neu einstehende Kommunikationsformate nicht erkannt und genutzt haben. Und nun wird möglicherweise mit Clubhouse eine neue Runde eingeleitet.
Zugegeben, man kann gegen Clubhouse Datenschutz-Bedenken vorbringen und das Niveau mag zukünftig deutlich abflachen. Dem stehen aber auch große Chancen gegenüber. Und die gehen über die existierende Medien- und Kommunikationslandschaft deutlich hinaus – sei es beispielsweise in der Bildung oder für Special-Interest-Gruppen.
Selbst wenn Clubhouse nur ein vorübergehender Hype sein sollte, was heute noch niemand sicher einschätzen kann: Wenn es nicht Clubhouse ist, dann wird es etwas anderes sein, das die Kommunikation und Mediennutzung verändern wird. Und genau das wird, wie in nahezu allen anderen Lebensbereichen auch, immer schneller gehen. Es wird in immer kürzeren Zyklen erfolgen. Wer die Welle nicht schnell genug erkennt und mit-surft, der wird früher oder später von einer Welle überrollt werden.
Ob Clubhouse also ein Hype oder eine Bereicherung ist, wird sich noch zeigen müssen. Eines steht aber schon jetzt fest:
Die Entwicklung ist gerade extrem spannend und man kann in einer sehr frühen Phase miterleben, welchen Weg sich (Kommunikations-)Bedürfnisse bahnen und welche Möglichkeiten es gibt. So eine Entwicklung kann man nicht vollständig erfassen, wenn man nur darüber liest oder sich von anderen darüber erzählen lässt. Der eigene Eindruck ist unersetzbar, auch um ein Gefühl dafür zu bekommen, mit welcher Geschwindigkeit sich digitale Veränderungen verbreiten und neue Medien entstehen.
Clubhouse steht damit sinnbildlich als Beispiel für die blitzschnelle Entwicklung vor allem digitaler Angebote, die immer mehr bestehende Angebote und unser Leben verändern werden – auch disruptiv. Ich wage daher zu sagen:
Wer solche Entwicklungen als CEO nicht persönlich ausprobiert, der verliert den Anspruch, dass Gesellschafter ihm die Führung ihres Unternehmens anvertrauen.